Raubfliegen können auf den ersten Blick wie schlanke harmlose Stubenfliegen aussehen, jedoch überwältigen manche von ihnen im Flug sogar Wespen. Bei der Jagd spielt ihr borstiger Stechrüssel eine entscheidende Rolle. Mit ihm durchstechen sie auch harte Panzer ihrer Beute, injizieren ihr zersetzendes Gift und saugen die erjagten Insekten anschließend wie durch einen Strohhalm aus. Gefährlich klingende deutsche Namen wie "Mordfliege" oder "Wolfsfliege" deuten auf diese Rolle als Beutegreifer hin. Zwei dieser Mordfliegenarten und eine ebenfalls zu den Raubfliegen zählende Schlankfliegenart konnten nun neu im Nationalpark Sächsische Schweiz gefunden werden.
Ähnlich wie Waldameisen oder Spinnen sind Raubfliegen als Jäger wichtige Regulatoren in Ökosystemen. Seit knapp 10 Jahren führen Insektenkundler ehrenamtlich Erfassungen zu den Raubfliegen im Nationalpark Sächsische Schweiz durch. Dabei konnte Tommy Kästner bereits 2017 die Rotbeinige Mordfliege (Choerades rufipes) neu in Sachsen nachweisen. Im Jahr 2023 gelang Ralf Britz der Wiederfund der Großen Mordfliege (Laphria gibbosa), welche im Elbsandsteingebirge über 50 Jahre nicht mehr gefunden werden konnten. Die Zinnober-Mordfliege (Choerades ignea) wurde 2023 durch Ronny Gutzeit und Jörg Lorenz sowie die Karminrote Mordfliege (Choerades gilva) durch Tommy Kästner und Ronny Gutzeit wiedergefunden, nachdem diese Arten im Elbsandsteingebirge fast 100 Jahre nicht mehr nachgewiesen waren. All diese Mordfliegenarten sind auf Totholz angewiesen, da deren Larven Käferlarven in abgestorbenen Bäumen jagen.
Im Sommer 2024 trafen sich Raubfliegenkundler aus ganz Deutschland, um nach weiteren verschollenen und selten Arten zu suchen. Dabei konnten sie zwei weitere Mordfliegenarten und eine Schlankfliegenart neu für den Nationalpark nachweisen. Allerdings fehlt weiterhin jede Spur für mehrere Raubfliegenarten, welche an ein eher kühleres Gebirgsklima angepasst sind und welche in der Anfang 2025 erscheinenden neuen Roten Liste der Raubfliegen als deutschlandweit "vom Aussterben bedroht" bzw. "stark gefährdet" eingestuft werden.
Experte Tommy Kästner erläutert: „Viele der im Nationalpark gefundenen Arten kommen in Sachsen nur noch an wenigen anderen Stellen vor. Die Rotbeinige Mordfliege lebt in Sachsen nur im Nationalpark, die Große Makelfliege scheint im Nationalpark sogar ihr deutschlandweit letztes Vorkommen zu haben. Der Umstand, dass wir die gesuchten kühleres Klima liebenden Gebirgsarten jedoch nicht gefunden haben, zeigt auf, dass der Klimawandel auch vor dem Nationalpark nicht haltmacht. Positiv stimmt uns, dass im Nationalpark Sächsische Schweiz inzwischen alle totholzgebundenen Raubfliegenarten, die wir aus Sachsen kennen, leben. Dies zeigt die sehr hohe Bedeutung des Nationalparks für totholzbewohnende Insektenarten."
Literaturtipp:
"Wolff/Gebel/Geller-Grimm: Die Raubfliegen Deutschlands. Entdecken – Beobachten -Bestimmen. 344 S., über 400 farbige Abbildungen Verlag Quelle & Meyer"
Internettipp:
Der digitale Atlas der Raubfliegen Deutschlands ist unter www.asilidae.de zu finden.
Quelle: STAATSBETRIEB SACHSENFORST