Der Dresdner Chemiker Dr. Dieter Schulze baute schon Ende der 1960er Jahre einen Trabant zum Elektroauto um. Anfang der 1990er Jahre erweiterte er seinen zweiten E-Trabi P 601 L, Baujahr 1988, sogar noch um ein Solardach. Vom 16. Mai bis zum 11. Juni 2023 ist das außergewöhnliche Fahrzeug im Verkehrsmuseum Dresden zu besichtigen. Elektrofahrzeuge waren in der DDR eine Rarität. Aber in Dresden entwickelte der Dresdner Chemiker Dr. Dieter Schulze schon Mitte der 1960er Jahre erste Ideen für die Umrüstung eines Verbrenners zu einem Elektro-Pkw. Seine Hoffnung war, damit schneller und billiger als mit der Straßenbahn zu seiner Arbeit an der Hochschule für Verkehrswesen "Friedrich List" zu kommen.
Mit Verweis auf den volkswirtschaftlichen Nutzen eines solchen Fahrzeugs stellte er im Januar 1968 erfolgreich einen Antrag, den Umbau anzugehen. Er erhielt dafür die Unfallkarosserie eines Trabant P 601 Limousine, zwei Elektromotoren aus elektrischen Postfahrzeugen der DDR sowie eine Bleibatterie für Gabelstapler. Bis zur Zulassung musste Dieter Schulze dem Verdacht entgegenwirken, der Bau des Elektrofahrzeugs sei nur vorgetäuscht, um schneller an einen Pkw zu kommen, auf den die Bürgerinnen und Bürger der DDR zu jener Zeit etwa sechs Jahre warten mussten.
Äußerlich war das Fahrzeug nicht von einem Trabi mit Verbrennungsmotor zu unterscheiden. Aber im Vergleich zu einem Zweitakter glitt es lautlos über die Straßen. Dies brachte dem Pkw den Spitznamen „das Gespensterauto von Hellerau“ ein. Seine Reichweite lag bei rund 40 Kilometern. Auch über die Nachbarschaft hinaus sorgte das Fahrzeug für Aufmerksamkeit. So erschienen Mitte der 1970er Jahre Artikel in der Zeitschrift „Jugend und Technik“ und in der Tagespresse.Nach 22 Jahren und einer Laufleistung von mehr als 55.000 Kilometern wurde der Wagen stillgelegt. 1993 baute Dieter Schulze einen weiteren Trabant, Baujahr 1988, zum Elektrofahrzeug um, allerdings mit einigen Neuerungen im Vergleich zu dem vorherigen Auto: Um die Reichweite zu erhöhen, versuchte er das Gewicht des Fahrzeugs zu verringern. So nutzte er als hintere Stoßstange Skistöcke. Zudem montierte er auf das Dach des Fahrzeugs Solarzellen, um die Sonnenenergie auf dem Fahrzeug in elektrischen Strom umzuwandeln. Die Reichweite dieses zweiten „Gespensterautos“ betrug rund 30 Kilometer. Bei Sonne verlängerte sich diese um etwa 10 Kilometer.
Aus Altersgründen verkaufte Dieter Schulze den Wagen 2013 seinem Nachbarn Mathias Bähr, der den Elektro-Trabi nun dem Verkehrsmuseum schenkte. Bis 11. Juni ist das Fahrzeug im Lichthof des Verkehrsmuseum zu sehen. Am Dienstag, 23.5.2023, 16:30 Uhr, bietet die Leiterin des Sammlungsbereichs Straßenverkehr, Maria Niklaus, eine offene Führung zu dem „Gespensterauto“ an.
Historische Einordnung der Elektromobilität
Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts war nicht entschieden, welche Antriebsart sich im Straßenverkehr durchsetzen würde. Es gab zu etwa gleichen Teilen Automobile mit Dampf-, Elektro- und Verbrennerantrieb. Letztlich triumphierte aber der Verbrennungsmotor, Dampf- und Elektroautos verschwanden aus unserem Stadtbild. Die elektrisch betriebenen Automobile erlebten in der Bundesrepublik in den 1970er Jahren während der Ölkrise und in den Anfängen der Umweltbewegung eine kleine Renaissance. In der DDR blieben Elektroautos eine Seltenheit. Von 1974 bis 1978 entwickelte in Finsterwalde eine Arbeitsgemeinschaft „Station Junge Techniker“ das „Elektrisches-Sicherheits-Stadtauto“, kurz „Elsist“. Das Fahrzeug erhielt erst 1987 seine Straßenzulassung. Der heutige Standort des Elsist ist uns nicht bekannt.
Am 21.Mai ist freier Eintritt im Museum.
Quelle: Verkehrsmuseum Dresden